Sozialpolitisches Statement des Fraktionsvorsitzenden der DAK-VRV, Rainer Schumann

Sozialpolitisches Statement des Fraktionsvorsitzenden der DAK-VRV, Rainer Schumann, anlässlich der Sitzung des Verwaltungsrates der DAK-Gesundheit am 30.11.2020


Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

es geht mal wieder um die Corona-Kosten. Die erste Welle wurde souverän gemeistert. Jens Spahn, der zuständige Bundesminister, profitierte davon, seine Umfragewerte stiegen von mittelmäßig auf hervorragend. Jetzt sind wir mittendrin in der zweiten Welle. Der Sommer wurde nicht genutzt, die Infektionsquellen genauer zu ermitteln. Der derzeitige Teil-Lock-Down wird zu Recht wegen seiner mangelnden Zielgenauigkeit kritisiert.
Am deutlichsten wird die Heftigkeit der zweiten Welle von der Bundeskanzlerin beschrieben. Die Kontrolle ist offenbar verloren gegangen; viele Gesundheitsämter kommen mit der Kontaktverfolgung nicht mehr nach. Jens Spahn ist wieder unterwegs mit Maximalzusagen. Und Maximalforderungen, die andere dann bezahlen. Zum Beispiel sollte mit dem „Maßnahmepaket zur Stabilisierung der Zusatzbeiträge in der GKV“ der Gesundheitsfonds um 8 Milliarden € geplündert werden. Das sind Beiträge der 42 Mio. Mitglieder der GKV, also über € 190,00 je Mitglied. Jetzt kam politischer Gegenwind von den Ländern, die erfolglos einen höheren Anteil des Bundes zur Finanzierung der Corona-Kosten forderten.

Bei Homeoffice richtet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen festen Arbeitsplatz außerhalb des Betriebs ein. Mobiles Arbeiten bedeutet, an einem beliebigen Ort zu arbeiten, sofern dafür lediglich ein mobiles Arbeitsmittel benötigt wird. Corona hat im Frühjahr zu einem ungeplanten Großversuch gezwungen. Klar im Vorteil war ein Betrieb, der ohnehin Homeoffice einführen wollte und schon bei Tests und Piloten Erfahrungen sammeln konnte. Heute sind wir einen Schritt weiter, Homeoffice ist nichts Besonderes mehr. Daraus ergibt sich, dass hier aber auch die gleichen ergonomischen Regeln gelten, wie bei Arbeiten in Räumen des Arbeitgebers. Äußerungen von Arbeitsministern gehen in die Richtung: „Bei regelmäßigem Homeoffice hat der Arbeitgeber auch die Kosten für Wasser, Strom und Miete zu tragen.“ Die Wirtschaftspolitiker der Union lehnen weitere Regulierungen zu Lasten von Unternehmen ab. Entscheidend ist jetzt: Was macht der Gesetzgeber, was machen Personal- und Betriebsräte daraus? Die DAK-VRV als Mitglied der Selbstverwaltung wird das Thema in angemessener Form im Blick behalten.

Laut Umfrage der Institute Iges und Forsa sind viele mit Homeoffice sehr zufrieden: „ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beruflichen Anforderungen und privaten Bedürfnissen einer Person“. Andere Umfragen ergeben, dass 70 % der Beschäftigten weniger produktiv sind. Insgesamt zeigt sich das Bild, dass die Mehrheit künftig weiter zumindest teilweise Homeoffice machen will. Das Ziel kann aus der Sicht der DAK-VRV also nur sein: ein gutes und gesundes Homeoffice. Eine einseitige Tätigkeit am PC verkürzt auf Dauer die Sehnen. Die bekannten Tipps sind Bewegung, Bewegung, Bewegung. Man kann sich aber auch per Wecker an eine Pause erinnern lassen, in der man sich aufrichtet, streckt und dehnt. Aber das gilt im Büro gleichermaßen.

Corona hat nicht nur den seit Jahren bestehenden Mangel von Pflegepersonal sondern auch die Mängel in der Finanzierung der Pflege sichtbar gemacht. Pflegeheime sind für viele alte und kranke Menschen kaum noch bezahlbar. Die Arbeitgeberverbände kennen auch die Ursache: „Mit ständigen Entscheidungen für Mehrausgaben ohne eine solides Finanzierungskonzept hat die Politik die Pflegeversicherung aus dem finanziellen Gleichgewicht gebracht“. Die jetzigen Reformvorschläge beinhalten folgende Hauptpunkte:

• Der Eigenanteil für die stationäre Pflege wird auf monatlich höchsten € 700 für 36 Monate begrenzt.
• Durch ein jährliches Pflegebudget soll die Pflege zu Hause verbessert werden.
• Pflege wird besser entlohnt, wenn nach Tarif oder vergleichbar bezahlt wird.
• Die Kosten dieser Reform in Höhe von ca. 6 Mrd. € werden durch Steuermittel finanziert.
• Das finanzielle Risiko verlagert sich vom zu Pflegenden auf die Pflegekasse, die heute nur einen eher gering bemessenden Festzuschuss zahlt.

Der Beitragszuschlag für Kinderlose wird von 0,25 auf 0,35 % erhöht. Nach Äußerungen aus dem Gesundheitsausschuss des Bundestages sollen sich die Änderungen in der häuslichen Pflege „Im Rahmen der Beitragsstabilität . . finanzieren lassen“. Geplant ist auch, die Bundesländer zu verpflichten, monatlich € 100 je Pflegebedürftigem für Investitionen in den Heimen zu zahlen. Das soll ausgeglichen werden durch Einsparungen in der Sozialhilfe in Höhe von einer Mrd. €. Die DAK-VRV begrüßt die geplante Reform vor allem wegen der Verlagerung des finanziellen Risikos. Es bedarf allerdings noch punktueller Feinjustierungen wie zum Beispiel wegen der landesspezifisch unterschiedlichen Höhe der Pflegekosten.

Corona hat auch aufgezeigt, wie wichtig digitale Lösungen für die ambulante und stationäre Versorgung von Patienten sind. Sie können systemrelevant sein. Ein wichtiger Baustein ist die elektronische Patientenakte (ePA).Die GKV ist verpflichtet, diese anzubieten, die Nutzung durch den Versicherten ist freiwillig. Sie war vom Gesetzgeber von vornherein als Stufenlösung vorgesehen. Der Umfang der Stufe 1 umfasst Arztbriefe, Medikationspläne, Notfalldatensatz, Befunde, Röntgenbilder, Therapiemaßnahmen und Vorsorgeuntersuchungen. Stufe 2: Bonusheft, Impfpass, Untersuchungsheft für Kinder. In der 3. Ausbaustufe können Versicherte ihre Daten anonymisiert zu Forschungszwecken zur Verfügung stellen. Das kann die oft jahrelange Entwicklung eines Medikaments beschleunigen. Obwohl es schon verwundert, wie schnell der Corona-Impfstoff auf der Basis heute bekannter Daten entwickelt wird.

Die ePA hilft, Diagnosen zu stellen, die richtige Therapien zu finden und Kosten durch Doppeluntersuchungen oder Fehlmedikationen zu vermeiden. Sie ist Bestandteil der zukünftigen Normalität im Gesundheitswesen, genauso wie die Videosprechstunde, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), das Register der Intensivbetten (DIVI) oder die Corona-Warn-App. Die ePA hilft, unsere medizinischen Daten und Dokumente zu überblicken. Wir, ob Patient oder Versicherter, wollen doch Transparenz, wollen doch Herr unserer Daten sein.

Vorstehend unser Blick auf vier ausgewählte Themen von bundesweit sozialpolitischer Bedeutung. Wie bewältigt die DAK-Gesundheit die sich daraus ergebenden Aufgaben aus Sicht unserer bei der Kasse beschäftigten Mitglieder? Deutlich sind die Aussagen zum Thema Corona: Die Kasse habe schnell gute Lösungen realisiert und unterscheidet sich deutlich von vergleichbaren Mitbewerbern. Die Bearbeitungsdauer von Leistungsanträgen habe sich verkürzt. Sehr erfreulich. Gleichwohl habe die Sachbearbeitung in den Versorgungszentren noch nicht überall ein ruhiges Fahrwasser erreicht. Die Zuordnung von definierter Arbeitsmenge zu definierter Mitarbeiterkapazität müsse regelhafter werden, begründete Ausnahmen seien möglich.

Führungskräfte deuten ihren Mitarbeitern gegenüber an, dass die Kasse davon ausgehe, beitragsstabil ins Jahr 2021 gehen zu können, obwohl sich der durchschnittliche Zusatzbeitrag um 0,2 auf 1,3 Prozentpunkte erhöhen wird. Das ist aus Sicht der DAK-VRV ein Schritt in Richtung Konsolidierung / wachsende Kasse. Insbesondere dann, wenn sich der Beitrag der Wettbewerber nach oben entwickeln sollte.
 
Rainer Schumann, Hamburg